Die Idee ist alles andere als neu und mir erstmals in einem Landesfachausschuss »Bildung und Schule« der hessischen FDP begegnet, wahrscheinlich 2008 oder ’09; da referierte die spätere hessische Kultusministerin, FDP-Generalsekretärin und heutige Europaabgeordnete Nicola Beer über die Idee, besonders gute und engagierte Lehrkräfte finanziell zu belohnen. Damals fand ich Nicolas Idee gut. Heute wird diese Forderung von der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (zufälligerweise ebenfalls FDP) aufgewärmt – und ich sehe das Vorhaben inzwischen deutlich kritischer. Und weil ich hoffentlich nicht im Verdacht stehe, ein gleichzeitig fauler und missgünstiger alter Sack am Lehrerpult zu sein, möchte ich meine Bedenken und Einwände gerne ausführen.
Wir waren alle mal Schüler oder sind es noch, wir kennen das System »Schule« alle von innen und es ist kein Geheimnis, dass wir alle sowohl bessere als auch schlechtere Lehrkräfte kennen lernen durften. Wenn solche qualitativen Unterschiede aber reelle Konsequenzen nach sich ziehen sollen – und ein finanzieller Bonus ist eine sehr reelle Konsequenz! –, dann muss man das ganze auf eine möglichst objektive Grundlage stellen. Und das ist meines Erachtens der Knackpunkt: Wie messe ich objektiv, wer ein guter Lehrer ist?
Nun könnte man vermuten: Gute Lehrer sind erfolgreich und motivieren ihre Schüler zu guten Ergebnissen. In der Realität sähe ein Wettrennen um Boni dann aber möglicherweise so aus, dass ich meine Leistungsüberprüfungen, also Klausuren, Klassenarbeiten, Tests etc., so simpel stricke, das alle mindestens im Notenbereich »gut« landen. Zack: fulminante Notenschnitte! Machte mich das zu einem besseren Lehrer? Wohl nicht, ich hätte auf diese Art und Weise lediglich ein vorgeblich objektives System ausgetrickst. Umgekehrt verhielte es sich genauso mit der Grundannahme, ein guter Lehrer mache anspruchsvollen Unterricht; dann wären nämlich sogar schlechtere Notendurchschnitte ein Ausweis für Qualität. In diesem Sinne sollten Noten kein Merkmal sein.
Dann könnte man vermuten: Gute Lehrer sind engagiert und bereichern einen Schulalltag um Angebote jenseits von Unterricht. Auch das wäre prinzipiell in Minuten messbar, aber was ist mit all den Aktivitäten unter dem Radar? Beratungen in der großen Pause, SV-Treffen, die deutlich länger dauern als die offiziellen 45 Minuten, Angebote, Gespräche, AGs und Mikrofortbildungen, die nie offiziell abgerechnet werden? Ich weiß von Lehrkräften, die lieber Ganztagsangebote machen, weil sie dort weniger Schülerkontakt haben… – ist solch ein Angebot, solch ein Verhalten belohnenswert? Darüber hinaus: Ist nicht im Alltag und für die Entwicklung der Kinder ein engagierter Klassenlehrer viel wichtiger als pressetaugliche Zusatzaktivitäten bei zweifelhaftem Bedarf? Unterm Strich ist also auch das Ausmaß an außerunterrichtlichen Aktivitäten kein geeignetes Maß.
Schließlich könnte man vermuten: Schüler können das am besten beurteilen. Der Aussage würde ich noch am ehesten zustimmen – aber eben nur auf lange Sicht, denn nicht umsonst werden beispielsweise Nominierungen zum Deutschen Lehrerpreis nur von Absolventen akzeptiert. In der Unter- oder Mittelstufe ist Sympathie zwar ein Faktor und oft genug ein durchaus motivierender, aber dennoch ist Sympathie per se noch kein Qualitätsbeweis. Erst in Prüfungs- und Abschluss-Situationen können Schüler mit entsprechender Reflexion beurteilen, ob ein Lehrer sowohl sympathisch als auch fachlich fähig ist, sie zu entsprechenden Inhalten und Leistungen zu coachen.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass Boni für engagierte Lehrkräfte eine faszinierende Idee sind – die aber in der Realität daran scheitern dürfte, dass sich die vielen Facetten eines guten Lehrers schwerlich objektiv messen lassen. Überdies sollte man die Politik durchaus auch rückfragen, ob es nicht für die vielen Lehrkräfte landauf, landab um ein Vielfaches motivierender wäre, wenn man uns von überflüssiger Bürokratie befreite, IT nicht von Mathe-Lehrern nach Unterrichtsschluss administrieren ließe, Inklusion und minderjährige Flüchtlinge ohne Deutschkenntnisse Spezialisten anvertraute, anstatt sie in unseren teils übervollen Klassen günstig »mitbetreuen« zu lassen, und grundsätzlich sicherstellte, dass Unterricht in renovierten, beheizten, technisch anständig ausgestatteten Schulen stattfindet? Man wird ja noch träumen dürfen…